Betriebliches Eingliederungsmanagement und Datenschutz - Aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes

von Nadja-Maria

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeitswelt, der die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mitarbeitern in den Mittelpunkt stellt. Es zielt darauf ab, langfristige Fehlzeiten zu reduzieren und Arbeitnehmer nach einer Erkrankung oder Verletzung erfolgreich wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren.

Einordnung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements

Neben der gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung eines BEM aus § 167 Abs. 2 SGB IX, ist für Arbeitgeber auch die Auswirkung eines durchgeführten beziehungsweise nicht durchgeführten BEM im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses nach einer krankheitsbedingten Kündigung zu beachten.

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nur sozial gerechtfertigt und damit rechtmäßig, wenn aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Mitarbeiters eine negative Prognose besteht, insbesondere da es gerade keine angemessenen und milderen Mittel gibt, um die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters wiederherzustellen. Der Erarbeitung solcher milderen Maßnahmen, so z.B. ein anderes Einsatzgebiet oder die Reduzierung der Arbeitszeit, dient auch das BEM.

Hat nun ein Arbeitgeber trotz entsprechender gesetzlicher Verpflichtung kein BEM durchgeführt beziehungsweise kann er die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Durchführung eines BEM nicht nachweisen, ist er im Kündigungsschutzprozess beweispflichtig für die Tatsache, dass auch die Durchführung eines BEM keine Maßnahmen zur Erhaltung des Beschäftigungsverhältnisses hervorgebracht hätte.

Bei der Frage, ob die Durchführung eines BEM für den Arbeitgeber unmöglich oder unzumutbar war, kommt es ganz entscheidend auf die Details der gesetzlichen Anforderungen und deren Umsetzung im Unternehmen an.

Urteil des Bundesarbeitsgerichtes

Eine Detailfrage im Bereich Datenschutz und BEM hat inzwischen das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Urteil vom 15.12.2022 – 2 AZR 162/22 entschieden. Hintergrund für das Urteil war eine Kündigungsschutzklage aufgrund einer krankheitsbedingten Kündigung.

Im streitgegenständlichen Fall hatte der Arbeitgeber der später gekündigten Mitarbeiterin aufgrund längerer Fehlzeiten die Durchführung eines BEM angeboten. Der Arbeitgeber hatte dabei die Abgaben einer datenschutzrechtlichen Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Bedingung des BEM gemacht. Die Mitarbeiterin und Klägerin wiederum hatte ausdrücklich ihre Bereitschaft zur Teilnahme am BEM erklärt, wollte die Einwilligungserklärung jedoch nicht abgegeben.

Daher hatte das BAG nun zu entscheiden, ob vor diesem Hintergrund die Durchführung des BEM dem Arbeitgeber unmöglich beziehungsweise unzumutbar war.

Tatbestandsvoraussetzungen des BEM

In seinem Urteil legte das BAG dar, dass eine schriftliche Zustimmung des Mitarbeiters gerade keine Tatbestandsvoraussetzung des § 167 Abs. 2 SGB IX sei. Die gesetzliche Vorschrift sehe lediglich vor, dass der Mitarbeiter über die Datenverarbeitung umfassend informiert werden müsse. Demzufolge sei es dem Arbeitgeber auch zumutbar, ein BEM ohne Einwilligung in die Datenverarbeitung zu beginnen. Das BAG ist dabei der Meinung, dass der Arbeitgeber mit dem Mitarbeiter zunächst das BEM beginnen und den Verfahrensablauf besprechen könne. Weiter führte das BAG aus, dass „Datenschutzrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Erhebung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten des Arbeitnehmers sind frühestens dann von Bedeutung, wenn sich die Beteiligten des BEM darüber verständigt haben, welche Angaben über den Gesundheitszustand für eine Reduzierung der Arbeitsunfähigkeitszeiten voraussichtlich erforderlich sind.“

Fazit

Neben den arbeitsrechtlichen Vorgaben ist auch die Berücksichtigung des Datenschutzes im Rahmen eines BEM von herausragender Wichtigkeit. Um dem gesetzlichen Ziel eines BEM nachzukommen, ist es unerlässlich, teils sehr sensible und schutzbedürftige Gesundheitsdaten des Mitarbeiters zu verarbeiten. Ohne diese Informationen ist es in vielen Fällen wohl nicht möglich, Lösungsmöglichkeiten für die individuellen Anforderungen des Mitarbeiters zu finden.

Doch auch in diesem Bereich ist auf die Details zu achten. Auch wenn das BAG nicht ausgeschlossen hat, dass eine datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung im BEM relevant sein kann, kommt es doch entscheidend auf die genaue Ausgestaltung an. Gerade bei solch relevanten Verarbeitungsvorgängen ist sorgfältig zu prüfen, welchen Rechtsgrundlage jeweils einschlägig ist und ob gegebenenfalls je nach Verfahrensstadium unterschiedliche datenschutzrechtliche Maßnahmen ergriffen werden müssen.

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Nadja-Maria

Nadja-Maria leitet unser Inhouse-Juristen-Team. Sie studierte an der Universität Passau Rechtswissenschaften mit anschließendem Referendariat sowie erstem und zweitem Staatsexamen. Ihr Spezialgebiet ist Datenschutzrecht. Ihr fundiertes Wissen hält sie jederzeit aktuell. Für unsere Kunden und unser Team hat sie so immer einen Rat für eine passgenaue Lösung parat.