VG Ansbach: Passende Rechtsgrundlage für lückenlose Videoüberwachung im Fitnessstudio?

von Das Team der aigner business solutions GmbH

Ein Verstoß gegen die DSGVO liegt insbesondere dann vor, wenn die Daten ohne entsprechende Rechtsgrundlage verarbeitet werden. Dies war vorliegend der Fall, indem ein Fitnessstudio in Bayern die gesamte Trainingsfläche lückenlos überwachte und dafür eine Untersagungsanordnung vom Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) kassierte. Diese Sanktionierung sah jedoch das Sportstudio als Anlass, selbst gegen die Datenschutzaufsichtsbehörde verwaltungsgerichtlich vorzugehen. Das Verwaltungsgericht (VG) Ansbach urteilte nun am 23.02.2022 (Az. AN 14 K 20.00083), dass das vom Fitnessstudio beklagte BayLDA die Videoüberwachung rechts- und verhältnismäßig als eine Abhilfemaßnahme nach Art. 58 Abs. 2 DSGVO untersagt habe (Rn. 43‑44 ff.). Die Klage des Sportstudios sei dagegen „lediglich in geringem Umfang begründet“ gewesen (Rn. 26).

Kein berechtigtes Interesse

Der beim VG bestrittene Bescheid des BayLDA wurde damit begründet, „dass als Rechtsgrundlage für die Überwachung Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zwar in Betracht komme, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorlägen“ (Rn. 15). Laut BayLDA habe das Fitnessstudio falsch die Interessen der Trainierenden als berechtigte Interessen angegeben, weil es nicht „zur Abwehr jeglicher Gefahren oder Schäden“ verpflichtet sei: Das Studio könne nur eigene Interessen als berechtigt verfolgen. Außerdem scheitere diese Rechtsgrundlage, weil es mildere Mittel als die Videoüberwachung – z.B. ein verstärkter Personaleinsatz oder Diebstahlsicherungen am Trainingsequipment – gäben. Das Gericht hat ebenfalls zugunsten der Interessen der Trainierenden bzw. ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgewogen und gab demzufolge das Recht dem BayLDA in dieser Streitigkeit (ausf.: Rn. 35‑42).

Keine Einwilligung

Die Richter in München haben auch weitere Rechtsgrundlagen für die Überwachung überprüft und konnten sie nicht auf eine Einwilligung der Trainierenden gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO stützen, weil eine solche Einwilligung gem. Art. 4 Nr. 11 DS-GVO „freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist“, abgegeben werden muss. Dass das klagende Studio in einer Weise eine solche „eindeutig bestätigende Handlung“ der Trainierenden eingefordert hätte, war dem Gericht weder vorgetragen noch sonst ersichtlich geworden.

Das Gericht betonte dabei, dass solche der Trainierenden nicht in der bloßen Kenntnisnahme der Hinweise auf die Videoüberwachung in den Datenschutzhinweisen und der Hinweisschilder an der Eingangstür gesehen werden könne, denn gem. EG 32 Satz 3 DS-GVO sollen Stillschweigen oder Untätigkeit gerade keine Einwilligung darstellen. (Rn. 32).

Keine vertraglichen Nebenpflichten

Das VG sah auch nicht in vertraglichen (Neben-)Pflichten des Fitnessstudios, ihre Kundschaft im vorgetragenen Umfang vor Diebstählen und Übergriffen zu schützen, dass eine Rechtsgrundlage für eine rechtmäßige Videoüberwachung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. b) Alt. 1 DS-GVO vorliege. Die streitgegenständliche lückenlose Videoüberwachung ging über vertragliche Nebenpflichten wie Rücksichtnahme- und Schutzpflichten hinaus. (Rn. 33‑34).

Videoüberwachung: Urteil v. LG Koblenz 2013

Bereits 2013 – längst vor dem Inkrafttreten der DSGVO – hat sich das LG Koblenz mit der Frage der Zulässigkeit der Videoüberwachung in Sportclubs auf Grundlage der vertraglichen Nebenpflichten beschäftigt.

In einer Fitnessclubs-Kette wurden damals „zur Erhöhung der Sicherheit“ Teilbereiche im Trainings- und Kassenbereichen durch Videokameras überwacht und einzelfallbezogen Aufnahmen gespeichert, „soweit und solange dies zur Sicherheit der Mitglieder und zur Aufklärung von Straftaten notwendig“ war. Die Mitglieder sollten dieser bestehenden und dauerhaften Videoüberwachung zustimmen, nachdem sie durch eine entsprechende Klausel – lediglich als Vertragspartner vor dem Vertragsabschluss – darüber informiert wurden. Die Sportclubs-Kette ging davon aus, dass diese Kameraüberwachung nicht zu beanstanden sei, weil Kameras offen und mit Hinweisen auf die Videoüberwachung versehen waren sowie „die […] Formulierung [der Klausel] im Einklang mit dem Datenschutz stehe“. Das Gericht urteilte in diesem Fall aber, dass die Fitnessclubs-Kette nicht ohne weiteres in seinen AGB-Klauseln bestimmen konnte, dass ihre Besucher auf dieser Weise überwacht werden.

Videoüberwachung: Fazit

Man kann aus der skizzierten Rechtsprechung schlussfolgern, dass bei der Überprüfung einer Rechtsgrundlage für jeden Prozess der Datenverarbeitung, bei der Videoüberwachung aber insbesondere Vorsicht geboten ist. Mit Bezug auf die EDSA-Leitlinie ist noch daran zu denken, dass ein „subjektives Unsicherheitsgefühl“ nicht als Begründung für Videoüberwachung ausreiche. Vielmehr muss man – am besten mit Spezialisten, gem. Art. 25 DSGVO bereits „by design“ und „by default“– Schritt für Schritt jede Einstellung und jede Rechtsgrundlage genau überprüfen.

Falls Sie eine Expertenunterstützung suchen oder konkrete Fragen zu der datenschutzrechtskonformen Ausgestaltung der Videoüberwachung sowie zu anderen datenschutzrechtlichen Themen haben, kontaktieren Sie uns gerne!

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